Glocken

Eine wechselvolle Geschichte

Die bisher nachgewiesenen ältesten Glocken stammen aus dem 17. Jahrhundert. Nach dem Corpus Bonorum hingen 1750 im Kirchturm drei Glocken. Den Grundton des Geläutes bestimmte eine 1693 gegossene, fast 1 m hohe und 442 kg schwere große Glocke. Sie hatte eine Höhe von 82 cm und einen Durchmesser von 92 cm. Sie trug am Oberrand eine schöne Blattverzierung und als Spruch den Psalm 95,6 (Kommt, lasst uns anbeten und knien und niederfallen vor dem HERRN, der uns gemacht hat.). Längs des unteren Randes standen die Namen des damaligen Amtmannes Koven, des Pastors Jacobi, der Kirchenjuraten, die Abrücke der Vorder- und Rückseite eines 1 1/2 Pfennigstücks mit dem Konterfei Herzog Georg Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg von 1691 und die Meisterinschrift: „Arendt Grete gos mich 1693“.   

Zur Vervollständigung des Geläuts ließ die Gemeinde schon 1694 eine kleine und 1697 eine mittlere Glocke anfertigen.

Fast 250 Jahre verrichtete die älteste und größte Glocke ihren Dienst. Während eines Sterbegeläut im März 1938 bekam sie einen Sprung. Die Firma Schillings Söhne in Apolda erhielt sofort den Auftrag, unter Verwendung des alten Materials eine neue Glocke zu gießen. Am 21. August 1938 erfolgte die Einweihung der neu angefertigten großen Glocke. Sie hatte den Ton a´, einen Durchmesser am unteren Rand von 92 cm und wog 450 kg.

Das Schicksal der beiden anderen alten Glocken blieb unbekannt. An Ihrer Stelle ließ jedenfalls die Gemeinde im Jahre 1793 eine neue, kleine Glocke und 1826 auch noch eine zweite, mittlere Glocke aus Bronze herstellen. Der Durchmesser der kleinen Glocke betrug 0,59 m und das Gewicht 125 kg. „Soli Deo Gloria, Heinrich Wicke gohs mich in Braunschweig 1793“ stand als Inschrift darauf.

Die neue, mittlere Glocke besaß unterhalb des Helms einen Eichenkranz und trug die Namen von Pastor Jeep, Opfermann Claudi, Orts- und Kirchenvorsteher Rief und dem Amtsgeschworenen H. Harke.  Diese Glocke bekam aber nach einer gewissen Zeit einen Riss und wurde deshalb 1893 umgegossen. Die Kosten trug der Gastwirt Fritz Hering. Unter dem neuen Leitspruch „Die Lebenden rufe ich, die Toten geleite ich“ folgte die Anmerkung „Geschenkt von Fr. Hering 1893“, dann die Namen von Kantor Reiche, H. Kröckel, G.V. Fritz Widdecke, K. V. G. Nickel, Pastor H. Ehlers, H. Bührig, I. Deumeland und der Vermerk „Gegossen von I. I. Radler u. Söhne in Hildesheim 1893“.

Diese mittlere Glocke wurde im 1. Weltkrieg beschlagnahmt und abtransportiert. Gleich nach Kriegsende bemühte sich die Gemeinde um einen Ersatz. Am Erntedankfest 1921 fand die Einweihung einer neuen, 300 kg schweren und auf den Ton cis‘ gestimmten Guss-Stallglocke statt. Sie kostete 2 919,50 Mark und wurde von der Firma Ulrich u. Weule zu Bockenem geliefert. Eine Geldsammlung im Dorf erbrachte 1 517 Mark. Den Rest beglich die Gemeindekasse. 

Auch im zweiten Weltkrieg blieben die Flechtorfer Glocken nicht verschont. Aufgrund einer Anordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 15.3.1940 mussten die kleine Beetglocke von 1793 und die erst 1938 angeschaffen große Glocke gemeldet werden. Die Stahlglocke aus dem Jahre 1921 blieb verschont. Im Jahre 1943 wurden dann beide Bronzeglocken beschlagnahmt und abtransportiert. Mitgenommen wurden gleichzeitig der Messing Kronleuchter ein Geschenk des ehemaligen Mühlenbesitzers Bäumler und die beiden Altarleuchter aus Zinn mit der Jahreszahl 1718.

Die kleine Glocke fand man 1947 unbeschädigt in einem Getreidespeicher des Hamburger Hafens, so dass sie bald wieder in ihre Heimatkirche zurückkehren konnte. Aber erst im Dezember 1955 nahm sie nach der Renovierung des Kirchturms ihren alten Stammplatz oben in der Turmlaterne wieder ein. Bis dahin stand sie unbenutzt im Turm, und die Guss-Stahlglocke diente auch noch als Schlagglocke. Die abgelieferte große Bronzeglocke blieb bis auf den heutigen Tag verschollen.


 

Quellen: Hellermann, Hartmut (2001): Heilig-Kreuz-Kirche zu Flechtorf, in: Geshichte und Geschichten. Landkreis Helmstedt Kreisbuch 2001, günther Druckerei GmbH.
         Kochanek, Helmut (1985): Im Schutze und Schatten der Burg. Flechtorfer Chronik, Braunschweig: Waisenhaus-Buchdruckerei und Verlag.
         Meier, Paul Jonas (1900): Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Braunschweig mit Ausschluss der Stadt Braunschweig. Wolfenbüttel: Verlag Julius Zwissler.

Zeittafel

  1. 1693 große Glocke, Bronze, Höhe 82 cm, Durchmesser 92 cm, 442 kg
  2. 1694 kleine Glocke
  3. 1697 mittlere Glocke
  4. 1793 neue kleine Glocke ersetzt diejenige von 1694, Bronze, Höhe 59 cm, 125 kg
  5. 1826 neue mittlere Glocke ersetzt diejenige von 1697, Bronze
  6. 1893 mittlere Glocke von 1826 zerspringt und wird zu einer neuen umgegossen
  7. 1914-1918 Beschlagnahmung der mittleren Glocke von 1893 zu Kriegszwecken
  8. 1921 neue mittlere Glocke, Guss-Stahl, 300 kg, Ton cis‘, Kosteten 2 919,50 Mark
  9. 1938 März, große Glocke von 1693 zerspringt
  10. 1938 August, Neue große Glocke aus Material der Alten. Ton a´, Durchmesser 92 cm, 450 kg
  11. 1940 Auf Anordnung Meldung der kleinen Glocke von 1793 und der großen Glocke von 1938
  12. 1943 Beschlagnahmung der beiden zuvor gemeldeten Bronzeglocken
  13. 1947 Auffinden der kleine Glocke von 1793 im Hamburger Hafen
  14. 1955 Wiederaufhängung der kleinen Glocke von 1793 in Turmlaterne