Tagesgebet nach EG 459
1. Die Sonn hoch an dem Himmel steht, ihr Glanz über die Welt weit geht, lasst uns auftun der Herzen Schrein, auf dass drein leucht ihr heller Schein.
2. Die rechte Sonn ist Jesus Christ, das Licht er zu dem Leben ist, das er uns heute durch sein Wort hell leuchten lässt an allem Ort.
3. Lasst wandeln uns in diesem Licht, bei dem man auch im Finstern sieht; ohne das Licht man hellen Tag von finstrer Nacht nicht scheiden mag.
Text: Ambrosius Lobwasser 1579
Melodie: Johann Crüger 1640
Liebe Leserinnen, lieber Leser,
wer kennt sie nicht, diese wolkenverhangenen Tage, die keinen Sonnenstrahl durchlassen und das Gemüt schwer werden lassen. Es ist schon lange her. Es war gegen Ende meiner Studentenzeit in Göttingen und ich befand mich in der Vorbereitung auf mein 1. Examen. Untergekommen war ich in einem kleinen Zimmer im Studentenwohnheim im Rosenbachweg, in dem ich die meiste Zeit mit dem Inhalieren des mannigfaltigen Lernstoffes verbrachte. „Homeoffice“ mit kleinen Unterbrechungen, die man sehr genoss, war also angesagt. Da in diesem Wohnheim Studierende aller Studienbereiche untergebracht waren, kam es auch nur selten zum Austausch mit anderen, die sich auf das 1. Theologische Examen vorbereiteten. Und lernen musste ja jeder schließlich für sich selbst.
Während dieser Vorbereitungszeit kannte ich einige tief-schwarze wolkenverhangenen Tage, denn der Lernstoff ließ sich nicht einfach inhalieren. Er war immer wieder aus meinem Gedächtnis verschwunden, so, als hätte ich noch nie etwas da-von gehört. Derartige Erfahrungen kennen wir wahrscheinlich alle. Weshalb erzähle ich das?
Zu dieser Zeit hatte ich mir selbst einen kleinen illustrierten farbigen Abreißkalender geschenkt, der nicht nur witzig war, sondern mich auch aufheiterte. Er trug die Bezeichnung „Angelino“ und zeigte auf den monatlichen Blättern ein kleines putzig gezeichnetes farbiges Engelchen, das Freude ausstrahlte und mich – wenn immer ich mein Blick auf die Bilder richtete – immer wieder zum Schmunzeln brachte. Einige dieser Kalenderblätter haben all die Jahre seit meiner Studentenzeit überstanden und liegen mir noch vor. Eines davon, das auch heute noch eingerahmt in meinem Büro hängt, möchte ich Ihnen hiermit „schenken“, auf dass es auch Ihnen zu gegebener Zeit neuen Mut geben, Sie aufrichten und vielleicht auch eine andere Sichtweise als die scheinbar offenkundige vermitteln möchte.
Zu sehen ist „Angelino“ malend auf einer kleinen Wolke unter einem Regenschirm sitzend – sich befindend inmitten eines fürchterlichen Unwetters. „Homeoffice“ würde man heute dazu sagen. Angesichts der äußerst bedrohlichen Situation, an der man verzweifeln könnte, ist dem Engelchen aber keine depressive Stimmung anzumerken. Im Gegenteil. Zwar zeigt der tiefschwarze wolkenverhangene regnerische Himmel nur ein winziges Stück vom blauen Himmel, aber Angelino malt in den buntesten Farben einen sonnigen Himmel mit lediglich einem kleinen eher freundlich aussehenden hellen Wölkchen.
Sehr oft habe ich gerade dieses Kalenderblatt aus den 80er Jahren angeschaut. Hat es mir einst in der Zeit meiner Examensvorbereitungen immer wieder Kraft gegeben durchzuhalten, so auch immer wieder bis in die heutige Zeit, wenn ich Aufmunterung aus welchen Gründen auch immer nötig hatte.