Im Predigttext für den kommenden Sonntag begegnet uns eine Geschichte aus dem Neuen Testament, wie sie uns bloß der Evangelist Lukas – sozusagen exklusiv – berichtet. Darin geht es um die Begegnung zwischen Jesus und den beiden ungleichen Schwestern Maria und Martha (Lk 10,38-42). Es wird beschrieben, wie die eine, Martha, sich rührselig um Jesus kümmert, während die andere, Maria, diesem andächtig zuhört. In der Folge beschwert sich die emsige erstgenannte über die andächtige letztgenannte bei Jesus; der wiederum lässt es damit gut sein, die eine durchaus in ihren Mühen zu sehen, darüber hinaus aber die andere in ihrem Zuhören zu bestärken: „(…) Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not, Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“ (Lk 10,41f.).
Ich persönlich glaube, was hier auf den ersten Blick so daherkommt wie ein Gegeneinanderausspielen der Protypen‚Tun vs. Ruhn‘/Arbeit vs. Andacht in Gestalt der beiden Persönlichkeiten von Martha und Maria, im Grunde genommen Anteile von beidem in uns allen sind – und so von Jesus jede auf ihre Art und Weise wertgeschätzt wird! Bereits der alte Ordensspruch „Ora et labora“ (übersetzt „Bete und arbeite“) hat sich gegen dieses Auseinanderdividieren von Aktion und Kontemplation gestellt; ich denke, es täte auch uns und unserer in sich zerrissenen Gesellschaft durchaus gut, sich nicht in ständiger Schwarz-Weiß-Malerei festkleistern, sondern vielmehr die ganze Farbpalette göttlicher Persönlichkeiten voll auszuschöpfen zu lassen. Der nicht minder in sich zerrissene Reformator Martin Luther hat das einmal für seine eigene ‚Gebets+Arbeits-Praxis‘ so formuliert; Arbeite immer so, als wenn alles Beten nichts nützen würde und bete immer so, als wenn alles Arbeiten nichts nützen würde, also „Ora ET Labora“ – im wahrsten Sinne des Wortes!
In einem Kirchenlied, das zwar schon in die Jahre gekommen ist, aber dennoch wie für unsere Tage geschrieben zu sein scheint, heißt es deshalb auch zu guter Letzt in der Schlussstrophe: „Sing, bet und geh auf Gottes Wegen,/ verricht das deine nur getreu/ und trau des Himmels reichem Segen,/ so wird er bei dir werden neu./ Denn welcher seine Zuversicht/ auf Gott setzt, den verläßt er nicht.“ (EG 369,7).