Wolfgang Abendschön hat einmal geschrieben: „Es gibt Zeiten, da bin ich hoffnungslos – hoffnungslos zuversichtlich“. Dem ersten Teil dieses Satzes können sicherlich viele zumindest zeitweise zustimmen – so gewiss am heutigen Ewigkeitssonntag, an dem man in besonderer Weise der verstorbenen Angehörigen oder Freunde gedenkt, aber auch im Alltag betreffs der möglicherweise vielfältigen persönlichen Sorgen und Nöte. Sicherlich mag auch Wolfgang Abendschön manchmal in diesem Sinne Hoffnungslosigkeit kennen oder gekannt haben, er lebt aber grundsätzlich in der Zuversicht, jetzt mit Worten Hel-mut Gollwitzers gesprochen: „Die Nacht wird nicht ewig dauern. Es wird nicht finster bleiben. Die Tage, von denen wir sa-gen, sie gefallen uns nicht, werden nicht die letzten sein“. Die eigenen Wege Gott anzuvertrauen, wie es auch Paul Gerhardt empfiehlt, also auf Gott zu hoffen, ist ganz gewiss ein guter Weg, Zuversicht zu schöpfen – schließlich sind wir ja auch Gottes geliebte Geschöpfe, die er nicht fallen lassen will. Sich dieser Überzeugung zu vergewissern, dazu kann Musik und das Singen beitragen, und auch ganz allgemein, das Leben trotz aller Widerwärtigkeiten ein wenig leichter zu nehmen.
Pfarrer Bernhard Sieverling, Süpplingen
PSALM EINER PUSTEBLUME
Den Duft der Rosen verbreite ich nicht,
köstliche Früchte reifen nicht an mir,
die Größe der Königskerze ist nicht mein Maß,
die Farbenpracht der Lilie nicht meine Zier.
Dennoch schäme und verkrieche ich mich nicht,
lasse mich nicht entmutigen,
mir meine Lebensfreude nicht schmälern,
den Lebensraum durch keinen Gartenzaun begrenzen.
Vielmehr wachse und blühe ich überall,
zahlreich und unübersehbar nach meiner Art,
nein, Herr, nach deiner Art,
denn du, mein Gott, hast mich so und nicht anders gewollt.
Ich wachse auf Wiesen und an Straßenrändern,
auf Müllplätzen und in Gärten.
Ich danke dir, Herr, dass ich überall Heimat finde.
Wer blüht, verblüht und muss welken.
Ich sträube mich nicht dagegen,
nehme das Welken an und lass mich zu neuem Leben verwandeln.
Ich danke dir, Herr, für das Alt- und Neuwerden.
Nun strecke ich mich dem Wind entgegen,
wachse Blumen und Gräsern über den Kopf.
Der Wind ist mein rauer, aber herzlicher Freund.
Er bläst mir ins Gesicht und trägt meine winzigen Samenkörner
wie kleine Fallschirme davon.
Ich danke dir, Herr,
für meinen Freund, den Wind.
Wer mich findet,
darf mich pflücken, pusten und lachen,
denn du, Herr, hast mich zum Nutzen der Tiere und zur Freude der Kinder erschaffen.
AMEN
Ich danke dir dafür,
dass ich wunderbar gemacht bin;
wunderbar sind deine Werke;
das erkennt meine Seele.
(Psalm 139,14)